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Jenny Gerber

Sorgenkind Volksschule

Aktualisiert: 7. Nov.



Die Referenten der Rheinfelder Tagung der FDP waren sich einig, dass das Schulsystem vor Herausforderungen steht, und wollen sich für eine funktionierende Volksschule einsetzen, an denen die Schüler wieder ein solides Wissen erlernen. Aktuell liest, schreibt und rechnet ein Viertel aller Volksschulabgänger ungenügend gut.



Weil zu viele Inhalte vermittelt werden, leiden die Grundkompetenzen. Zusätzliche Bürokratie und Evaluation nehmen Zeit für die Wissensvermittlung. Die Klassen wurden grösser und heterogener. Zuwenig Ressourcen sind verfügbar, um den Lehrplan 21 vollumfänglich umzusetzen. Es braucht eine Vereinfachung des Systems mit Fokus aufs Wesentliche.


Dr. Carl Bossard ehem. Direktor der Kantonsschule Luzern und Gründungsrektor der Pädagogischen Hochschule Zug betonte, wie wichtig die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern ist. Die Begeisterung der Schüler muss wieder geweckt, die Vorteile des Lernens aufgezeigt, Kinder gestärkt und ihre Fähigkeiten erkannt und gefördert werden. Zudem braucht es einen Austausch. Dies setzt genügend gemeinsame Zeit voraus und ein stabiles Umfeld, in einer ruhigen Atmosphäre. Würde man die Lehrer entlasten, könnten sie wieder in höheren Pensen arbeiten, was einiges erleichtern würde. Lernen bedeutet seit jeher: Verstehen, üben, anwenden. Wenn dafür zu wenig Zeit ist, muss Qualität wieder vor Quantität stehen.


Michèle Zeder Primarlehrerin Kanton Luzern vertrat einen Teil der Lehrerschaft und unterstützt diese Ansätze. Der Lehrplan 21 gäbe zu viele Inhalte vor. Die Fokussierung fehle und alles umzusetzen sei nicht möglich. Es gäbe zu wenig Zeit für Verbesserungsarbeiten und für das Üben mit den Schülern, damit Zusammenhänge erkannt und verstanden werden und das Grundwissen gefestigt wird. Zudem sei es eine Herausforderung, dass die Klassen während des Unterrichts derart aufgeteilt werden. Einige gehen zum Deutsch als Zweitsprache, während einige an einem separaten Programm und wieder andere im Förderprogramm arbeiten. Es entsteht eine Verzettelung und störende Unruhe. Zudem bedeutet das ein Koordinationsaufwand für die Klassenlehrer mit den Klassenassistenzen, Heilpädagogen, Logopäden, Schulsozialarbeitern und der integrativen Sonderschulung.


RADIKALE UMSTRUKTURIERUNG

Vielleicht wollte der Lehrplan 21, der einen politischen und keinen pädagogischen Ursprung hat, zu viel auf einmal umgestalten. Es braucht wieder den Fokus aufs Wesentliche. Frühfremdsprachen führten offensichtlich zu Spätdeutsch. Mehr Evaluierungen brachten mehr Administration und nahmen Zeit für die Wissensvermittlung. Es scheint, als verstehen den über 400-seitigen Lehrplan längst nicht alle. Viele wünschen sich ein vereinfachtes System und das Recht Abstriche zu machen.


Patrick Isler-Wirth, Abteilungsleiter Volksschule Kanton Aargau betonte, dass es im Kanton Aargau viele Freiheiten in der Umsetzung des Lehrplan 21 gibt. Kleiklassen und Integrationsklassen seien möglich. Dies brauche jedoch Initiative und Mut zur Umsetzung. Wichtig seien im liberalen Gestaltungsraum starke Schulleitungen, die die Kultur und den Mindset vorgeben.


Verschiedene Lösungsansätze wurden thematisiert, angefangen bei einer sorgfältigen Analyse. Was hat funktioniert und von welchen gescheiterten Umgestaltungen sollte man sich verabschieden?

·      Die Grundkompetenzen lesen, schreiben und rechnen müssen wieder in den Fokus rücken.

·      Sabina Freiermuth, Grossrätin, Präsidentin FDP Aargau hat mit ihrer Fraktion einen Vorstoss für eine flächendeckende Wiedereinführung von Förderklassen im Kanton Aargau eingereicht. Diese berücksichtigen den integrativen Ansatz, weil sich die Förderklassen im regulären Schulumfeld befinden und gleichzeitig die Regelklassen und Lehrpersonen entlasten. Kinder mit Unterstützungsbedarf können so trotzde an regulären Schulaktivitäten teilnehmen. Die Förderklassen sollen auch, die im schweizweiten Vergleich hohe Sonderschulquote senken.


·      Mit dem Kindergarteneintritt beginnt ein umfangreicher sozialer Umgang. Es wird eine Kulturvielfalt und Wertepluralität abgefangen und standardisiert. Die Frühförderung ist effektiver als Fehlentwicklungen und Wissenslücken in der Lehre oder im Studium auszubessern.

·      Freiheit in der Umsetzung wird gewünscht, aber dafür braucht es Struktur und Orientierung, damit die Beteiligten nicht überfordert sind, im Schulsystem sowie beim selbstorientierten Lernen. Zu viel Auswahl führt zur Destabilisierung. Nicht jeder hat die Eigeninitiative zur selbstständigen Umsetzung.

·      Zudem braucht es ein gesunder und massvoller Umgang mit digitalen, insbesondere sozialen Medien, um die Kinder in ihrer Selbstsicherheit und Zufriedenheit zu stärken und sie wieder aufnahmefähiger zu machen. Sie brauchen erreichbare, reale Vorbilder, die sie positiv beeinflussen. Auch Sportaktivitäten und Hobbies fördern dies, aber bei 3.5 Stunden täglichem Medienkonsum bleibt vieles auf der Strecke.

·      Entscheidend in allen Punkten ist die Führung der Eltern im Alltag.

·      Ein zentraler Lösungsansatz liegt auch bei den pädagogischen Hochschulen. Die Ausbildung soll wieder realitätsnaher und auf den schulischen Alltag ausgerichtet werden. Es scheint zu viele Vorgaben von Fachleuten zu geben, die nicht im praktischen Schulumfeld arbeiten.


Bilder:

Dr. Carl Bossard ehem. Direktor der Kantonsschule Luzern und Gründungsrektor der Pädagogischen Hochschule Zug

Dr. Titus Meier, Präsident Kommission Bildung, Kultur und Sport, Ressortleiter Bildung FDP Aargau

Michèle Zeder Primarlehrerin Kanton Luzern

Sabina Freiermuth, Grossrätin, Präsidentin FDP Aargau

Patrick Isler-Wirth, Abteilungsleiter Volksschule Kanton Aargau

Janine Glarner, Jeanine Glarner Gemeindeammann / Grossrätin

Karin Faes, Grossrätin, Unternehmerin

Hansueli Bühler, ehemaliger Gemeindeammann Stein

 

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